La Felicidad

Heute begann die dritte Ausgabe der Russafa Escènica, dieses Jahr
unter dem Motto "La Felicidad" (Die Glückseligkeit).
Das Viertel öffnet seine Türen um sich ein gigantisches Schaufenster
der Schauspielerei zu verwandeln.

Eine Dame in blonder Lockenperücke und ein Herr im Totoro-Kostüm
haben uns ins fünfte Stockwerk eines Wohnhauses entführt, in dessen
Zimmern es Menschen zu entdecken galt, die ihre Auffassung von
Glückseligkeit gespielt, getanzt, geteilt haben - wieder und wieder
unterbrochen von Ballett-Übungen im Flur.

Die ideale Sekretärin und ihr Chef präsentierten ihren Gästen mit
schwindelerregender Sprechgeschwindigkeit - visuell unterstützt mit
Hilfe modernster Technik - sorgfältig entwickelte Konzepte zwecks
Vermarktung der Glückseligkeit.

Die vergnügten Unfähigen taumelten, schlurften, schritten laut-
stark diskutierend über die Straße, fanden schließlich den Schlüssel
zu einer Galerie, in der sie weiter stritten, verzweifelten, sich 
schließlich glückselig tanzten und nach draußen weiterzogen, sich 
dort vorm Schaufenster verbeugend.

Theater - für mich: ein Ort, neue Freunde kennen zu lernen, ein Ort,
andere Realitäten zu entdecken, ein Ort, die Gedanken anzuregen,
ein Ort Glückseligkeit zu empfinden.

Arrugas

Der Comic "Arrugas" (Falten) von Paco Roca erzählt die Geschichte
des ehemaligen Bankdirektors Emilio, seines Einzuges in ein Alten-
heim sowie des Forschrittes seiner Alzheimer-Krankheit.

Emilio, S. 2Besser, als Worte es könnten, berichten die Bilder von den Rea-
litäten, in denen die Heimbewohner leben: Señora Rosario blickt
den ganzen Tag aus dem Fenster; sie sitzt in einem Zug, der sie
zu ihrem Mann nach Istanbul bringt. Félix döst in Militäruniform
inklusive Fes im Innenhof, jederzeit bereit, zu salutieren.
Carmencita muss aufpassen, nie allein zu sein, da sie sonst von
Marsmännchen entführt wird.

Carmencita, S. 38Für die anderen ist es, wie Miguel sagt, "die verkehrte Welt:
Die Zeit zwischen dem Essen ist verlorene Zeit. Du schläfst oder
du vegestierst vorm Fernseher, auf die nächste Mahlzeit wartend."
Ansonsten bleibt zwischen Verwandtenbesuchen, die nur zu Weihnachten
stattfinden, genug Zeit, dreizehnmal zu wiederholen, welche Zahl
beim Bingospiel gefallen ist - nur damit es doch noch nicht jeder
notiert hat.
Eine Geschichte, in der Traurigkeit wächst - aber auch Freundschaft.

Entdeckt: vorgestern, in einem Antiquariat in Russafa.

Suivront milles ans de calme

Bewegung ist Schönheit. Der Moment, der nicht eingefangen werden kann,
der nur in der Zeit besteht.

Das Ballet Preljocaj bezeichnet den eigenen Stil als zeitgenössisch,
soll an dieser Stelle heißen: der Zuschauer entscheidet selbst,
welcher Stil das eigentlich ist. Er lässt sich nicht greifen, nicht
genau zuordnen. Er entsteht aus dem Moment heraus und zu jedem Stück
neu.
Die Tänzer drücken sich aus mit der Bewegung ihrer Körper, sie wollen
eine Botschaft kommunizieren.
Dafür stehen ihnen neben Kostümen, Bühnenbild (beides minimalistisch) 
und natürlich der Musik (Techno von Laurent Garnier, Mondscheinsonate)
hin und wieder auch Gegenstände wie Stühle oder Bücher zur Verfügung.

Das aktuelle Stück (Premiere in Moskau, nächste Stationen USA und
Mexiko) handelt von der Apokalypse. Von den Dingen, die uns jetzt
schon umgeben, die wir jedoch erst sehen, wenn der Schleier fort-
genommen wird.
Schon die ersten Töne, die ersten Schritte reißen den Zuschauer in
dieses absolut geniale Werk, in eine dystopische Atmosphäre.
Menschen wie Maschinen, roboterhafte Marionetten, die flüssigen 
Bewegungen wirken absolut fremdkontrolliert.
Ein futuristisch anmutender Ablauf, aufgebaut aus Elementen des 
klassischen Balletts, mit Posen wie der von Rodins "Penseur".
Damit spielend, es gleichermaßen kontrastierend die Verkörperung
archaischer Tierwesen.

Die Länder sind blind.
Die Tänzer betreten erneut die Bühne, ihre Körper von Flaggen um-
schlungen, insbesondere die Köpfe, die Gesichter, die Augen sind
vollkommen verdeckt.
Es ist das Nationaldenken, dass jeder nur für sich, um sich kreisen,
dass die Menschen erblinden lässt, voneinander separiert.

Dance with the Apocalypse.
Sternenköniginnen und ein Liebespaar.
Cancel the Apocalypse.
Aus dem Himmelsgewölbe fallen Eisenketten, schlagen als gerade
Schnüre hart auf dem Boden ein.
Dann fällt der Vorhang, senkt sich behutsam über die allgemeine
Verwirrung, Bedrängnis.

Das Spiel mit den Ketten, die prasseln wie ein Regenrohr, klirren
und knallen.
Die Flaggen werden gewaschen und ausgeschlagen, die Friedenslämmer
herbeigetragen, die Glocken läuten zur Versöhnung.
Erneuerung.
Und dann, tausend Jahre Frieden.

Suivront milles ans de calme

Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens

- ganz dringend zu empfehlen, DER Vampyrfilm, unbedingt mal zu
Gemüte führen, bei Gelegenheit am besten wie ich gestern mit Live-
Musik.
Das war sehr mitreißend, Max Schreck (Graf Orlok / Nosferatu) spielt
absolut hammer (er ist übrigens auch das Vorbild für Succubius Eißpin
aus Moers' genialem Buch "Der Schrecksenmeister") und der Film hat
jede Menge Schmunzeleffekte.
Nebst guter Boxen darauf achten, den Film so zu sehen, wie er gedacht
war, sprich in Farbe. Bitte keine kolorierte Version, sondern die ihn
sepia (blau, gelb, in vereinzelten Szenen auch rot) eingefärbte. Die-
ser Farbwechsel sowie das Licht-Schatten-Spiel trägt einen großen
Teil der Atmosphäre.

Ihnhaltlich wäre zu erwähnen, dass 1922 noch auf viele Dinge Wert ge-
legt wurde, die bis zu heutigen Vampirfilmen leider nach und nach
wegrationalisiert wurden.
Wie zum Beispiel, "dass Vampyre nur aus der gottverfluchten Erde, in
der sie begraben wurden, ihre Schattenkraft ziehen können", wie uns
ein Zwischentitel erklärt. Allein diese Zwischentitel könnte ich mir
übrigens nahezu ewig angucken, wunderschönes Schriftbild...
- jedenfalls führt Graf Orlok also aus diesem Grund Särge voll Erde
mit sich. Wie cool wäre es bitte, wenn die Glitzerknaben bei Twilight
ständig einen Beutel Erde mit sich rumtragen müssten? Wie bei Fluch
der Karibik, "Wo ist mein Glas voll Dreck?!"...

Aber nein, da gucken wir lieber einen der guten Vampirfilme.
Mir fällt spontan "Interview mit einem Vampir" ein. Weitere Ideen?
Auf jeden Fall viel Spaß bei diesem Klassiker!

Hänneschentheater

Hallo hallo, geht es irgendwem auch so?
Die Tage gehen vorbei, ohne dass ich so recht merke, wie, plötzlich
ist wieder einer zu Ende und das einzig Nennenswerte, was passiert
ist, ist, dass sich das Chaos in meinem Zimmer auf mysteriöse Weise
noch mehr vergrößert hat. Faszinierend...
Daher statt eines ausführlichen Artikels nur eine kleine Notiz:

Als langjährige Rheinländerin war ich Sonntag endlich mal bei der
Puppensitzung beim Hänneschen.
Dat Hätz vun Kölle schläät am Isemaat!, am alten Eisenmarkt.
Über den Heumarkt, ein Photo mit Willy auf der Bank und dann -
Opjepass - jetzt jeit et loss!
Auch wenn ich ihrer nicht zur Gänze mächtig bin - det schönste, det
wor de kölsche Sproch.
Mir rede kölsch, mir singe kölsch, mir trinke kölsch!
Schunkele und lache mit Tünnes und Schäl ("Herr P-p-räsident, die
Woosch!"), natürlich mit von der Partie: Köbeschen und Röschen,
denn was wäre Fastelovend ohne die Pänz!
Von der Dönerbude um die Ecke bis zum Carnival in Rio -
da simmer dabei!

Nebenwelten

Traum und Vision
Schatten und Dämmerlicht
Einsamkeit nächtlicher Straßen
fantastisch-bedrohlich
Gestalten, Tierwesen, Geister und Gewalten
Abgründe
Ängste, Beklommenheit
am Rande des Weges,
am Rande der Welt
eine andere Realität
selten wahrgenommen, Schimmer
Ausblicke, Durchblicke
Liniennetze, Feinstrukturen
eindringlich

Passend zur momenten Stimmung ließ ich mich gestern von den Werken
Alfred Kubins in Bann ziehen. Künstler öffnen stets Tore zu anderen
Welten, einer anderen Sicht auf die Welt; ein Besuch der bis Januar
verlängerten Ausstellung ist ein dringend zu empfehlender Besuch der
Nebenwelten.
Ich werde gerne mit Euch darüber philosphieren; über sämtliche Ein-
drücke und besonders über:

Rattenhaus
Sumpf
Seegespenst
Angst

Die 7 1/2 Leben des Walter Moers

Die Ausstellung in Oberhausen ist ja sooooo toll!!
Absolut begeistert und quietschend bin ich da durch gegangen, aaaabso-
lut zu empfehlen!!
Meine Nummer eins sind ja definitiv die Buchlinge, die sind sooo toll!
Das spannendste Buch ist jedoch konkurrenzlos Rumo und das Krätzchen
Echo ist einfach nur hinreißend!
Doch Walter Moers "kann" ja nicht nur die Zamonien-Romane, da gibt es
ja noch das kleine Arschloch, Adolf die Nazi-Sau, den Fönig, die lange
Reise durch die Nacht (eine nach Illustrationen Gustave Dorés ent-
standene Geschichte) und so viel mehr!
So beinhaltet die Ausstellung auch einen weitläufigen Raum mit den Ge-
mälden von Walter Moers, gesammelt unter dem Obertitel "Arschloch in
Öl". Niveauloses für gebildete Menschen. Alternativ könnte man sagen,
er hält der high society von Kunst und Kultur einen Spiegel vor,
aber auf eine nie dagewesene unterhaltsame wie geniale Art und Weise.
Nie vergesse ich, wie ich bei unserer Klassenfahrt am Ende der Mittel-
stufe im Zug nach Hamburg den "Käptn Blaubär" lesend meinem Physik-
lehrer gegenüber saß, der das kommentierte mit: "Jaja, der Walter
Moers, der war früher bei mir in der Stufe. Der hatte irgendwie nie
Freunde... aber er hat immer schon seine Bildchen gemalt!"
Das passt ganz gut zur Aussage, die Hildegunst von Mythenmetz in ei-
nem Interview mit dem WDR macht: Wie können die Leute nur glauben, er
sei eine fiktive Figur, wo es doch sein Übersetzer ist, der sich nie
in der Öffentlichkeit zeigt?!

Im Anschluss an die Ausstellung wollte ich mir endlich mal das unper-
fekthaus ansehen, das interessiert mich schon seit einer Weile.
Doch die Ampelschaltung in Oberhausen ist gelinde gesagt einfach nur
mies. So mussten wir aufgrund von Zeitdruck unseren Plan ändern, von
einem alternativen Restaurant zum Herzen des Kapitalismus...
Immerhin habe ich ein Döschen Barbecuesauce für meine Pommes stibitzen
zen können, doch ich fürchte, damit konnte ich Burger King nicht zu
Grunde richten...